Auch in Kalifornien merkt man so langsam, dass es Herbst wird. Die Nächte werden kühler und morgens ist es mittlerweile teils empfindlich kalt. Doch bislang hat uns die Sonne hier erste wenige Tage im Stich gelassen, so dass sich selbst der Herbst noch sommerlich warm anfühlt. Die Kinder kommen immer besser in die Schule an und auch für Patrick und mich stellt sich eine gewisse Routine ein, die das Leben deutlich leichter macht. Zwar brauche ich immer noch für alles deutlich mehr Zeit als in Deutschland, aber diese Zeit kann ich mir auch nehmen, was ich sehr genieße. Habe ich in Deutschland meine Tage teilweise minutengenau durchgetaktet, kann ich mir hier tatsächlich für die einzelnen Aufgaben Zeit nehmen und muss wenig unter Stress oder Zeitdruck erledigen. Ob diese Freiheit irgendwann in Langeweile umschlägt, wird die Zeit zeigen.
Wenn alle davon reden, dass die Menschen in den USA oberflächlich sind, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nur sagen: Sie sind eigentlich nur besonders freundlich. Als wir vor rund einer Woche den Sonntag in Capitola am Strand verbracht haben, bin ich relativ schnell mit zwei Amerikanerinnen ins Gespräch gekommen, die mich kurz darauf auf einen Drink und Snacks einladen haben. Über die Kinder sind wir ins Gespräch gekommen, obwohl ich offensichtlich Ausländerin war. So etwas wie Berührungsängste mit offensichtlich anderen Kulturen scheint es in den USA weniger zu geben. Das mag auch daran liegen, dass es hier gefühlt mehr Ausländer als Amerikaner gibt. Während es in Deutschland völlig unüblich wäre und als Schmeichelei empfunden würde, macht man sich hier als Gesprächseinstieg gerne Komplimente. Was auf den ersten Blick vielleicht oberflächlich erscheint, ist eigentlich nur nett gemeint und ein hervorragender Eisbrecher. So haben wir praktisch den Sonntag zusammen verbracht, uns über 1000 Dinge unterhalten, über die man in Deutschland bei einer ersten Begegnung niemals sprechen würde und hatten alle einen angenehmen Sonntag. Diese Offenheit kann man als Oberflächlichkeit interpretieren oder einfach nutzen, um angenehme Stunden zu verbringen.
Ein weiteres gutes Beispiel für die Freundlichkeit und Gelassenheit der Menschen hier, ist die Kassiererin im Supermarkt, die es sich trotz mehrerer Kunden an der Kasse nicht nehmen lässt, nett über die von mir gekauften Produkte zu plaudern. Eine tolles Erlebnis war auch der Supermarkt-Mitarbeiter, der mir meine schweren Wasserkisten freiwillig mit einem Lächeln im Gesicht ins Auto getragen hat oder die hilfsbereite mexikanische Verkäuferin im deutschen Metzger, die mir mit der Umrechnung von Gramm in Pounds geholfen hat - alle sind bemüht um einen freundlichen Ton, eine höfliche Kommunikation und ein positives Miteinander. Das macht das Leben deutlich leichter. Denn auch wenn man keine Lust auf seinen Job oder keinen Spaß am Supermarkt-Einkauf hat, wird die Aufgabe für keinen von beiden angenehmer, wenn man unhöflich ist – ganz im Gegenteil. Geht man positiv an die Dinge heran, verändern sie sich oftmals auch in diese Richtung. Und selbst wenn nicht, macht es einen unliebsamen Job auch nicht besser, wenn man ihn missmutig ausübt.