Manchmal kommt es mir so vor, als wäre es gestern gewesen, dass wir einerseits traurig, andererseits voller Vorfreude und Neugier auf unser neues Leben im Silicon Valley endlich im Flugzeug nach San Francisco saßen. Die ersten Wochen waren geprägt von Umzugschaos, unendlich vielen neuen Eindrücken und teilweise heilloser Überforderung. Doch zusammen haben wir alle Herausforderung dieses neuen Lebens in den USA gemeistert und sind mittlerweile trotz oder vielleicht sogar wegen der außergewöhnlichen letzten Monate richtig gut angekommen in unserem neuen Leben.
Die Zeit bis Weihnachten verging wie im Flug, der Besuch der Großeltern und gemeinsame Erlebnisse und Zeit für Gespräche standen dann im Fokus. Sonne tanken und absolut nichts tun, war zentrales Element unseres Urlaubs im Februar nach Mexiko. Wie wichtig dieser Urlaub in der Zukunft noch sein würde, war damals niemandem bewusst. Denn nur wenige Wochen später stellte die Corona-Virus Pandemie unser Leben komplett auf den Kopf. Von heute auf morgen wurden die Schule und sämtliche Büros geschlossen, das öffentliche Leben kam praktisch total zum Stillstand. Bis auf wenige Ausnahmen hat sich an dieser Situation auch heute nicht wirklich viel geändert. Shopping Malls, Kinos, Theater, Bars, Restaurants (mit Ausnahme von Outdoor-Dining), Vergnügungsparks und Frisöre sind nach wie vor geschlossen. Auch die Schule wird Mitte August mit Distant Learning starten und ein Ende des Homeoffice ist ebenfalls nicht in Sicht. Soziale Kontakte sind mittlerweile draußen wieder erlaubt, doch auch hier nur mit Sicherheitsabstand und Maske.
Die Black Lifes Matter Bewegung, Proteste auf den Straßen, Plünderungen und Ausgangssperren überlagerten das Thema Corona im Juni. Umso härter schlug das Virus ab Juli zurück mit steigenden Fallzahlen in ganz Kalifornien - aber auch in der Bay Area. Bis zu 350 Neuinfektionen gab es im Santa Clara County pro Tag im Juli. Aktuell scheint sich die Lage wieder etwas zu entspannen, ob wir den großen Peak jedoch überwunden haben, bleibt abzuwarten.
In der Zwischenzeit versuchen wir weiter gesund zu bleiben, konzentrieren uns auf die vielen positiven Elemente in unserem Leben und nehmen jeden Tag so wie er kommt. Patrick erholt sich gut von seiner großen Knie-OP Anfang Juni, Valentin hat seine Blinddarmentzündung gut überstanden und Paul kann endlich wieder im Schwimmclub trainieren. Ich liebe meine morgendlichen Läufe, hier tanke ich Energie für den Tag - auch wenn es deutlich schwerer ist, den inneren Schweinehund zu überwinden, wenn man nicht Freundinnen verabredet ist.
Stück für Stück kommen die kleinen Freuden des Alltags auch für uns zurück: Ausflüge zum Strand, Outdoor-Dining im Lieblingsrestaurant, Tagesausflüge in der Umgebung, Citytrips nach San Francisco. Doch wir haben im letzten halben Jahr gelernt, was wirklich wichtig ist: Zusammenhalt in der Familie und Gesundheit. Alles andere findet sich trotz widriger Umstände irgendwie. Für unser zweites Jahr in den USA wünschen wir uns neben einer Entspannung der Corona-Situation und allen damit verbundenen Verbesserung der Lebensqualität vor allem auch viele neue Erlebnisse in diesem wunderschönen Land. Denn im letzten halben Jahr konnten wir unser Leben hier nicht so gestalten, wie wir uns das gewünscht hatten. Doch wir glauben ganz fest daran, dass nach diesen stürmischen Zeiten auch wieder bessere folgen werden - vielleicht sogar ganz bald mit einem Neustart nach dem 3. November.