Ein ziemlich verrücktes Jahr geht langsam zu Ende. Spontan kann man wenig Gutes über 2020 sagen, aber wenn man länger darüber nachdenkt, gibt es doch Einiges, das dieses denkwürdige Jahr besonders gemacht hat - und zwar nicht nur im negativen Sinn.
2020 begann für uns zusammen mit den Großeltern im wunderschönen San Diego. Sonnige Tage an einem der schönsten Ort der Welt mit ausgedehnten Spaziergängen am Hafen gefolgt von verrücktem Partytreiben an Silvester. Die Welt hatte zwar schon von einem mysteriösen Virus gehört, in den USA und Europa fühlten wir uns jedoch noch weit weg von allem und sicher.
Genauso erging es uns auch im Februar, als wir nach Mexiko in den Urlaub flogen. Unbeschwerte Tage mit leckerem Essen, schwimmen, baden und entspannen. Das Thema Covid-19 rückte zwar näher, aber bis auf eine extra Flasche Desinfektionsmittel in der Handtasche und einen grünen “Wir waren die letzten zwei Wochen nicht in China”-Aufkleber im Pass lief das Leben noch völlig unbeschwert weiter.
Kurz darauf überschlugen sich jedoch die Ereignisse. Nach anfänglichem Schock stellten wir uns alle auf das neue Lockdown Leben ein. Wir entdeckten jeden Winkel unserer Nachbarschaft, freuten uns über das meist hervorragend Wetter und lebten von einem Tag auf den nächsten. Auch wenn es anstrengend und in vielen Momentan nervenaufreibend war, so genossen wir es auch, viel Zeit miteinander verbringen zu können.
Als klar war, dass wir im Sommer weder nach Deutschland fliegen, noch in den USA Urlaub machen können, war die Enttäuschung zunächst groß. Doch dann haben wir die Vorteile des Lebens in Kalifornien erst richtig schätzen gelernt. Wir sind regelmäßig zum Meer gefahren, haben unseren Pool ausgiebig genutzt und so ganze acht Wochen Sommerferien gesund und zufrieden verbracht.
Unterbrochen wurde diese Sommerferien-Idylle eigentlich nur von Valentins Blinddarmoperation, die trotz aller Aufregung zügig und unkompliziert ablief. Ihm ist von der Nacht im Krankenhaus nur im Gedächtnis geblieben, dass er insgesamt vier Filme anschauen durfte und immer eine eigene Krankenschwester um ihn herum war, die sich liebevoll um ihn gekümmert hat. So gesehen, war sogar diese Erfahrung in der Retrospektive ein durchaus positives Erlebnis in 2020.
Die Schule startete im August, wie sie Mitte März geendet hatte - virtuell, mit allen Vor- und Nachteilen. Da die Nachteile auf der Hand liegen, konzentriere ich mich auch hier auf die Vorteile - zumindest für die Kinder. Länger schlafen, Jogginghose den ganz Tag, Brotzeit wann man mag und permanente Verfügbarkeit von Eltern. Gerade letzteres ist definitiv nur ein Vorteil für die Kinder, aber sie schätzen es dafür sehr, immer jemanden greifbar zu haben, der bei inhaltlichen oder technischen Fragen unterstützen kann. Trotzdem können sie es kaum erwarten, bis nächstes Jahr hoffentlich wieder Präsenzunterricht stattfinden kann. Denn die Wochen live auf dem Campus im Herbst waren für beide Jungs enorm wichtig.
Eine kurze Verschnaufpause von der Pandemie mit deutlich niedrigeren Zahlen und entsprechenden Möglichkeiten sich freier zu bewegen, nutzten wir um Kraft zu tanzen für den Winter. Die Natur in Yosemite und Sequoia Nationalpark hat uns alle nachhaltig beeindruckt.
Richtig spannend und nervenaufreibend war die Präsidentschaftswahl am 3. November. Die quälenden Tage der Ungewissheit nach dem Wahltag nahmen vier Tage später relativ überraschend und kurzfristig ein Ende, als wir beim Frühstück die Nachricht erhielten, dass neben CNN und vielen weiteren großen TV Stationen auch Fox News den Wahlsieger bekanntgegeben hatten. Joe Bidens Programm für die ersten 100 Tage im Amt klingen ambitioniert, so dass wir alle voller Hoffnung auf die politische Zukunft unserer neuen Heimat blicken.
Sonst erfüllen wir so ziemlich alle Klischees der Pandemie: Wir kochen permanent, es werden ständig neue Rezepte ausprobiert - auch Flüssige - und gleichzeitig viel Sport gemacht. Einen Marathon will zwar keiner von uns laufen, aber Schwimmen, Joggen, Yoga und Fitness standen und stehen hier praktisch jeden Tag auf dem Plan - anders lassen sich die extra Corona-Pfunde auch nicht vermeiden.
Paul konnte sich im letzten Jahr voll und ganz auf sein Schwimmtraining konzentrieren und hat sich enorm verbessert, obwohl im Frühjahr für rund drei Monate der Pool geschlossen war. Er stieg im Oktober 2019 ohne Englischkenntnisse oder einer Idee davon, was "drills" sind, in einer Anfängergruppe der Leistungsschwimmer ein und ist nun einer der besten Schwimmer seiner Altersklasse. Erst wenn er fünfmal pro Woche etwa 2000 Meter geschwommen ist, stellt sich Erschöpfung und gleichzeitig Zufriedenheit ein. Go, Paul!
Valentin spielt wieder live mit seiner Lehrerin Gitarre im Garten und hat jede Menge Zeit, für seine vielen kreativen Projekte. Langeweile ist für ihn selbst in der Pandemie ein Fremdwort, denn er findet immer etwas, mit dem er sich beschäftigten kann und kommt dabei auf unheimlich lustige und erstaunliche Ideen.
Patrick kann nach seiner Knie OP wieder weite Strecken laufen und wandern, was ein riesiger Erfolg ist. Ich bin stolz darauf, zwei Kurse an der Uni in Stanford erfolgreich abgeschlossen und so in 2020 nicht nur Lerninhalte der 2. und 5. Klasse vertieft zu haben.
Was 2021 für uns bereit hält, bleibt abzuwarten. Eins ist klar: Viele neue Herausforderungen, aber hoffentlich auch wieder mehr Freiheit und Abenteuer!
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